Eine weitere Reaktion (und das Thema Trauer)

Veröffentlicht am 5. Juni 2023 um 15:07

Eine Reaktion von einem Leser. Ich veröffentliche diese (nach Freigabe) und beziehe mich im Anschluss dazu:

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Hallo, 

ich bin erst vor kurzem auf deinen Blog gestoßen und bin sehr dankbar darüber. 

Wenn ich im Internet über meine "Störung" lese werde ich regelmäßig traurig. An guten Tagen kann ich damit umgehen und darüber sachlich nachdenken. Reflektiere dann sofort mein eigenes Handeln und versuche mich zu optimieren. Schließlich soll mein Umfeld keine Probleme mit mir haben. Ich darf niemanden Belasten mit meiner Art ... und das Thema "Fühlen" ist sowieso ein Dauerthema.

An schlechten Tagen stelle ich sofort meinen Wert in Frage. Es tauchen Fragen auf wie ...:

- Bin ich ein Mensch der weniger Wert ist?

- Sollten meine Kinder vor mir geschützt werden?

- Bin ist so schlecht?

Ich weiß sehr wohl das ich gute Seiten habe. Versuche stets das Beste für mein Umfeld zu geben. Versuche ein guter Ehemann und Vater zu sein. ... und doch ... so sehr ich es auch versuche schaffe ich es häufig nicht. Dann kommen die Vorwürfe. Ich kenne Vorwürfe aus meiner Kindheit. Ich weiß was Liebesentzug mit mir als Kind gemacht hat. Weiß wie sich kindliche Einsamkeit anfühlt. 

Klar, ich weiß das war damals und heute bin ich ein gestandener Mann. Trotz all dem Wissen über mein eigenes Handeln falle ich immer zurück.

Dann ist sofort der Zweifel wieder da. Zweifel am eigenen Wert. 

Beruflich sieht das anders aus. Da komme ich gut voran, habe viel erreicht. Da weiß ich mich Durchzusetzen, weiß genau wie ich meine Worte als Waffe benutzen kann. Kann skrupellos wirken obwohl ich das im Herzen gar nicht bin.

Trotzdem ist es nie gut genug. Inzwischen bin ich dermaßen erschöpft das ich immer wieder innehalten muss um mich zu erden. Dann sage ich mir immer wieder das es so gut ist wie es ist.

Therapien? ... Ja, seit einigen Jahren dabei. Immer wieder Bücher lesen, stöbern im Internet und ständige Selbstreflexion bis zur totalen Selbstaufgabe.

Ich weiß und hoffe das es irgendwann besser werden kann. 

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Herzlichen Dank für diese ausführliche Reaktion.

Ich habe diese meiner Frau vorgelegt und sie hat prompt gesagt: "Das ist ein Text von Dir, oder hat das ein anderer geschrieben?" 

Nee, nee, das ist schon von einem anderen. Also mehr kann ich meine folgende Aussage nicht untermauern, wenn meine Frau den Text schon als meinen eigenen sieht. Der Text ist tatsächlich so geschrieben, wie ich ihn schreiben würde. 

Das hat mich so gefreut, weil ich dadurch klar gemerkt habe, ich bin nicht allein. Somit wurde aus dieser Situation ein: WIR sind nicht alleine! Das ist so schön, zu erleben, dass andere genau so empfinden. "WIR sind nicht alleine", gibt uns eine gewisse Normalität. Wir sind nicht Einzelstücke, wir sind in Serie produziert worden!

Danke lieber Leser für diese Reaktion und für diese tolle Erfahrung dieses Gefühl erleben du dürfen. 

 

Zum Inhalt möchte ich sagen, dass ich die gleichen Gedanken habe. Ich möchte keine Belastung sein, keine Last und das Fühlen* ist immer ein Problem. Das Thema mit den Kindern "Sollten meine Kinder vor mir geschützt werden?" , finde ich sehr passend, denn ich denke da sehr viel drüber nach und bin der Überzeugung, dass wir gerade deswegen äußerst empfindlich, sensibel und aufpassend mit unseren Kindern in der Regel kommunizieren. Nur eben in den schwarzen Modus nicht und da mache ich einen großen Bogen um Kritikgespräche oder Tadel bei meinen Kindern.

Ja, Deine Rückmeldung ist schon sehr treffend und ich finde sie als extreme Bereicherung für unser Projekt hier. 

So sehen wir alle, wir sind nicht alleine (ja, habe ich schon mal erwähnt, möchte es aber am Liebsten 100 mal erwähnen). 

 

* Fühlen: fühlen sind entweder Gefühle, die ich als normale Intensität beschreibe und Emotionen, die ich als die "großen Brocken" beschreibe.  Gefühle sind für mich z.B. müde, schlapp, hungrig, keine Lust auf etwas, ... und Emotionen sind für mich z.B. Trauer, Einsamkeit, Eifersucht, Liebe, ..... halt die "großen Brocken" und die sind es auch, die uns auch umhauen. 

 

TRAUER, z.B. kann mich so dermaßen aus der Bahn werfen und ich weiß noch nicht mal warum! Ich bin von einer großen Emotion eingenommen und weiß nicht was es ist. Erst Stunden oder Tage später weiß ich, dass es die Emotion TRAUER ist. Aber deswegen weiß ich noch lange nicht warum ich TRAUER empfinde. Sie ist einfach da. 

 

Beispiel: Sommerurlaub mit meiner Frau allein. Alles war perfekt. Wir machen einen Ausflug mit einer kleinen Gruppe mit einem Boot zum Schnorcheln. Ein wunderschöner Ausflug. Plötzlich, gegen Ende des Ausfluges, wir machen einen Stopp auf dem Meer und schauen uns alle zusammen den Sonnenuntergang an. 

Was fühle ich: TRAUER. Ich habe in der Situation aber dennoch sehr schnell den Grund dazu mitgeliefert bekommen. TRAUER weil sich meine Frau von mir getrennt hat und wir hier als "gute Freunde" zusammen diesen Urlaub genießen! DAS habe ich gefühlt und es war für mich real, als Gefühl, nicht als Zustand oder Ereignis!

BUMM und das erkläre nun mal einem "normal" denkenden Menschen.

Es war alles ok. Wir sind glücklich verheiratet und machen diesen Ausflug und ich empfinde diese TRAUER. Auf der logischen Ebene habe ich mich sofort versucht zu bearbeiten, aber damals war ich noch nicht soweit, wie heute. Das war vor ca. 2-3 Jahren. 

Ich empfinde also diese TRAUER und versuche nun meiner Frau zu erklären, warum ich in dem Moment so dermaßen übertrieben an ihr "klebe" und auf Berührungen angewiesen bin. In dem Moment eine Abweisung und ich wäre mit Gewichten an den Füssen im Meer vor Ibiza auf Grund gegangen. Ganz gefährliches Thema und ich hätte, nein, mein Inneres hätte, alles eingefordert, was greifbar gewesen wäre. 

Wenn also einmal ein Narzisst an seinem Nicht-Narzissten-Partner klebt, dann ist er gerade vielleicht in einer extremen TRAUER und Verlassen werden ist für einen Narzissten eines der ultimativ schlimmsten und bedrohlichsten Ereignisse, die passieren können.

 

 

Trauer ist ein echt heißes Thema, welches ich nicht unterschätzen darf, dass habe ich daraus gelernt.

 

ENDE

 

Nein, eben nicht. Da ich ja nun viel über mich gelernt habe, kommt nun noch der inzwischen "gelernte" empathische Teil zu meinem Antwort auf den Text:

Lieber Leser mit der schönen Antwort. Ich bin in Gedanken bei Dir und verstehe Deine Zeilen. Mir tut es Leid, dass Du dieses Leid ertragen musstest und erträgst. Ich wünsche Dir eine gute Besserung in deiner psychischen Krankheit. 

 

Nun aber ENDE

 

Doch nicht.

 

Ich empfehle Dir noch Dr. Hagemeyer zu lesen. Die beiden Bücher, die ich hier schon empfohlen habe.

 


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